Vietnam. Fotografien von Thomas Billhardt
Thomas Billhardt ist ein untypischer Kriegsfotograf. Er hat in Vietnam nie an Kampfhandlungen teilgenommen, war nicht an der Front, sondern dokumentierte das Leben und Überleben der Bevölkerung Nordvietnams. Seine Fotos fokussieren auf die Angegriffenen, nicht auf die Angreifer.
Billhardt hat während des Vietnam-Krieges zahlreiche Reisen nach Nordvietnam unternommen und sich bei seinen Fotos auf Alltagssituationen konzentriert. Zwar sind die Fotografien keine gestellten Held*innen-Abbildungen, dennoch wirken sie ikonisch und zeigen den unbeugsamen Siegeswillen der vietnamesischen Bevölkerung. Am deutlichsten wird das bei der Aufnahme, die einen gefangenen US-Piloten zeigt der von einer deutlich kleineren Frau abgeführt wird (Cover des Bildbandes).
Weil Billhards Bilder so hervorragend als Anklage gegen den US-Krieg geeignet waren, hat er als DDR-Bürger und Fotograf große Privilegien genossen, wie beispielsweise Reisefreiheit und die Ausstattung mit Material und Mitarbeiter*innen. Auch das nordvietnamesische Regime wusste die Wirkung der Arbeit Billhards zu schätzen und hat ihn so ungestört wie möglich gewähren lassen.
Die Bilder wurden in der Presse der realsozialistischen Staaten breit veröffentlicht, in der DDR erschienen auch zahlreiche Bildbände. Er hat die kollektive Erinnerung der DDR-Bevölkerung an den Vietnam-Krieg wesentlich geprägt.
Nun wurden die Fotos neu editiert und im Bildband «Vietnam. Fotografien von Thomas Billhardt», ergänzt durch Erinnerungen des Fotografen, verlegt. Der Bildband ist in drei Kapitel aufgeteilt, erst die Fotos aus Nordvietnam (ab Ende der 60er Jahre), Aufnahmen aus Südvietnam nach der Befreiung 1975 sowie die Rückkehr nach Vietnam anlässlich einer Ausstellung Billhards Fotos viele Jahre später.
Für mich als Kind des Westens ist der Kontrast zur gewohnten Bilderproduktion des Vietnamkrieges beeindruckend. Beim Lesen des Bildbandes ist mir noch einem deutlich geworden wie stark das gewohnte Narrativ ein Blick durch die Brille des Aggressors ist. Abgesehen davon gefallen mir die Fotos ausgesprochen gut, sie sind ausdrucksstark und interessant, oft auch ausgesprochen schön. Das Buch ist aus meiner Sicht mit Sicherheit eine Empfehlung wert.