No Sleep Till Shingal
Mit «No Sleep Till Shingal» legt der italienische Zeichner Zerocalcare eine beeindruckende Reportage vor. Er war 2021 Teil einer Delegation die das Siedlungsgebiet der Jesiden im Irak besuchte: Shingal. Sein Comic ist eine gelungene Mischung aus seinen persönlichen Erfahrungen sowie der Vermittlung der komplexen politischen Situation, in der die Jesiden um ihre Autonomie kämpfen.
Zerocalcare hat vor einigen Jahren bereits eine Reportage über seine Reise nach Rojava veröffentlicht. «No Sleep Till Shingal» knüpft an dieser früheren Veröffentlichung an, der Autor wurde von Vertretern des kurdischen Vereines in Rom gebeten sich einer Delegation nach Shingal anzuschließen und erneut in einem Comic davon zu berichten.
Die Comics von Zerocalcare sind in Italien sehr populär und erreichen hohe Auflagen. Der Großteil seiner Veröffentlichungen haben keine explizit politischen Themen sondern handeln vom Alltagsleben Zerocalcares und seines Umfeldes. Seit einiger Zeit arbeitet er auch an einer Netflix-Serie. Seine Arbeiten über Rojava und Kobane wurden auch in der Zeitschrift «Internationale» veröffentlicht und erreichten so ein breiteres Publikum. Der Comic über Shingal und den Kampf der Jesiden um ihre Autonomie soll nun erneut für Aufmerksamkeit und Solidarität sorgen.
Das sich Shingal in einer schwierigen politischen Situation befindet wird schon durch die schwierige Anreise klar. Die Delegation muss die Türkei und auch das Gebiet der kurdischen Autonomie im Irak meiden. Deshalb nehmen sie eine theoretisch fünfstündige Autofahrt durch die Gebiete verschiedener lokaler Machthaber in Kauf. Weil sie mehrfach in verschiedenen Checkpoints unterschiedlicher Gruppen festgehalten werden dauert die Anfahrt schließlich drei Tage. Der instabile Irak ist Spielball der Interessen der Nachbarstaaten, die verschiedenen Milizen sind davon Ausdruck.
Zerocalcare thematisiert seine persönlichen Ängste und Zweifel und benutzt dabei bereits in anderen Comics eingeführte Charaktere, wie beispielsweise sein Alter Ego “das Gürteltier”. Dabei gelingt ihm das Kunststück seine eigene Rolle zu thematisieren ohne den Hintergrund der Delegationsreise zu vernachlässigen. Statt dessen werden seine Gefühle immer wieder in Beziehung zu den Menschen gesetzt die er trifft und die mit der Erfahrung des Genozids durch den IS leben müssen. Aber Zerocalcare erzählt nicht nur von Horror, sondern auch von Menschen die aktiv ihre Situation in die Hand nehmen und sich politisch am demokratischen Kornföderalismus der kurdischen Freiheitsbewegung orientieren.
Insgesamt erneut ein gelungener Comic von Zerocalcare, der Zeichner versteht sein Handwerk und nutzt die Spezifika des Mediums Comic gewohnt virtuos.